DAS MONUMENTAL-RELIEF IN BOZEN:
VON HANS PIFFRADER ZU HANNAH ARENDT

DAS MONUMENTAL-RELIEF:
FASCHISMUS-GESCHICHTE IN BILDERN

Das Relief
Das Relief von Hans Piffrader mit der zentralen Figur des „Duce“ hoch zu Ross wurde als künstlerische Ausstattung der sogenannten „Casa Littoria“ in Auftrag gegeben. Der Bau wurde 1939–1942 nach dem Entwurf der Architekten Guido Pellizzari, Francesco Rossi und Luis Plattner als Sitz der Nationalen Faschistischen Partei und ihrer Unterorganisationen errichtet. Das Fassaden-Relief besteht aus 57 unterschiedlich breiten und 2,75 m hohen Reliefplatten, die sich über eine Breite von 36 Metern erstrecken, eine Fläche von 198 Quadratmetern einnehmen und ein Gesamtgewicht von ungefähr 95 Tonnen aufweisen. Damit handelt es sich um das größte noch erhaltene Relief, das unter dem italienischen Faschismus entstanden ist.
Die künstlerische Ausdrucksweise Piffraders hatte der strengen Kontrolle, die vom „Komitee für den Bau der Casa Littoria“ über seine Arbeit ausgeübt wurde, Rechnung zu tragen. Das Komitee beschränkte weitgehend die kreative Freiheit, die noch in den Ideenskizzen zum Relief zu finden ist. Viele der Skizzen wurden entweder sofort abgelehnt oder tiefgreifenden Änderungen unterzogen (darunter auch jene zur Reiterfigur des „Duce“). Aus diesem Grund, aber auch wegen technischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung, ging die Arbeit nur langsam voran. Die letzten der von der Firma Battista Vannucci mit Sitz in Pietrasanta bei Lucca ausgeführten Travertinplatten erreichten Bozen erst zwei Monate vor dem Sturz des Faschismus am 25. Juli 1943. Wegen dieser Verzögerung konnten drei der 57 Platten nicht mehr montiert werden und lagerten lange Zeit auf dem „arengario“, dem weitausladenden, für Versammlungen bestimmten Balkon, über dem das Relief angebracht ist. In der Nachkriegszeit schlug das staatliche Denkmalamt Trient die Entfernung von Piffraders Werk vor, um „ungünstige Reaktionen des fremdstämmigen Elements“ zu vermeiden. Mehrere Jahre lang blieb diese Situation bestehen, ehe 1957 auch die drei letzten fehlenden Tafeln angebracht wurden.

Der Mittelteil des Frieses:

1  Der Duce zu Pferd, umgeben von den Kürzeln der wichtigsten Parteiorganisationen und umringt von vier allegorischen Figuren

Der Mittelteil des Frieses wird beherrscht vom Bild Mussolinis hoch zu Ross, den rechten Arm zum „römischen Gruß“ erhoben. Die Reiterfigur ist umgeben von vier allegorischen Gestalten mit den Kürzeln der Parteiorganisationen – es sind die Gruppi universitari fascisti (Faschistische Studentenorganisationen), der Partito nazionale fascista (Faschistische Partei Italiens), die Opera nazionale dopolavoro (Nationaler Freizeitverband), die Gioventù italiana del littorio (Parteijugend) und die Milizia volontaria per la sicurezza nazionale (Freiwillige Miliz zur Staatssicherheit). Zwischen den Pferdebeinen sind das Datum der Fertigstellung des Werks nach faschistischer Zeitrechnung (20. Jahr der faschistischen Ära = 1942) und Mussolinis Leitspruch „credere obbedire combattere“ (glauben, gehorchen, kämpfen) angebracht.

In chronologischer Reihenfolge, beginnend im unteren linken Bildsegment:

2  Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Heimkehr der Soldaten

Die lorbeerbekränzte Kanone versinnbildlicht den italienischen Sieg im Ersten Weltkrieg von 1918. Die Soldaten kehren nach Hause zurück, ihnen voran ein Alpino (Gebirgssoldat), der von seiner Ehefrau und den beiden Kindern empfangen wird.

3  Die revolutionären Unruhen des Roten Bienniums („Biennio Rosso“)
Vier bedrohliche Gestalten verkörpern die Gewalttaten der „Aufständischen“ in den ersten Jahren der Nachkriegszeit. Einer von ihnen hält eine Fackel in der Hand, im Hintergrund sind brennende Gebäude zu erkennen.

4  Die faschistischen „Märtyrer“ der bolschewistischen Gewaltherrschaft
Die Darstellung zeigt Opfer der „bolschewistischen Gewaltherrschaft“, und zwar linkerhand eine reale Person, die das Regime als einen seiner ersten „Märtyrer“ verherrlichte. Es handelt sich um den jungen Faschisten Giovanni Berta, der in Florenz im Februar 1921 in den Arno gestoßen wurde und dabei zu Tode kam, nachdem er vergeblich versucht hatte, sich am Brückengeländer festzuhalten. Auf der rechten Seite geben sich zwei imaginäre Gestalten als gefesselte und dem Flammentod ausgelieferte Faschisten zu erkennen.

Obere Reihe links:

5  23. März 1919: Mussolini begründet die faschistischen Kampfbünde
Die Schrift „W MUSSOLINI“ eröffnet die Szene, die sich auf die am 23. März 1919 in Mailand durch
den Duce erfolgte Gründung der Fasci italiani di combattimento (Faschistische Kampfeinheiten) bezieht, eine Vorläuferorganisation der Nationalen Faschistischen Partei. Die Mitte nimmt Mussolini mit dem Gründungsakt in der Hand ein, flankiert von drei Gefährten, die den Treueeid leisten.

6  Straßenschlacht der „Squadristen“
Die Szene zeigt den wilden Kampf von Faschisten mit ihren „bolschewistischen“ Widersachern. Die „squadristische“ Gewalt der faschistischen Kampfeinheiten wird als Opfergang für die Heimat dargestellt. Die Pose des mittig dargestellten Verletzten erinnert an eine von Piffrader selbst geschaffene Kreuzabnahme.

7  Der 28. Oktober 1922 – „Marsch auf Rom“
Ein junger „balilla“ (Angehöriger der männlichen Parteijugend) gibt mit seiner Trommel den Takt für den „Marsch auf Rom“ vor, mit dem der Faschismus seine Machtübernahme vorbereitete. Die vorbeiziehenden Milizen werden von einem Fahnenträger angeführt. Im linken Hintergrund sind das Kolosseum und die römischen Hügel dargestellt.

Obere Reihe rechts:

8  Der römische Legionär und der faschistische Krieger
Ein römischer Legionär in Kampfeshaltung erhebt den Schild und das Feldzeichen mit dem Signum der Römischen Republik (SPQR – Senatus Populusque Romanus = Senat und Volk von Rom). Ihm zur Seite steht als sein Erbe der faschistische Krieger, ausgestattet mit Gesetzessammlung und Schwert auf einer und dem Liktorenbündel auf der anderen Seite.

9  Das „Imperium“: die Eroberung Libyens und Äthiopiens
Das vom faschistischen Regime eroberte Libyen wird als Figur mit weiter Tunika dargestellt; an ihrer Seite ist der Triumphbogen abgebildet, der an der von Mussolini 1937 eingeweihten libyschen Küstenstraße errichtet wurde. Es folgen daneben zwei Milizionäre, die zwei brüllende Löwen mit Speeren durchbohren: Der eine stellt den „Löwen von Juda“ dar, ein Beiname des Kaisers von Äthiopien Hailè Selassiè, der andere den „Britannischen Löwen“, der sich vergeblich der italienischen Eroberung Äthiopiens in den Weg gestellt hatte. Die Szene beschließt ein Afrikaner, der unter das Joch der britischen Kolonialherrschaft im Mittelmeer gestellt ist.

10  Die Teilnahme Italiens am Spanischen Bürgerkrieg
Ein bärtiger Mann mit umgehängtem Patronengürtel verkörpert den italienischen Legionär, der in Spanien für den Faschismus kämpft. Er erhebt den Arm als Symbol für die hartnäckige Verteidigung der Festung Alcázar in Toledo, die im Hintergrund zu erkennen ist. Von Juli bis September 1936 hatten sich dort die nationalistischen Verbände verbarrikadiert und es geschafft, der langen Belagerung durch die republikanische Armee zu widerstehen, bis sie von Francos Putschisten befreit wurden. Der Alcázar wurde sogleich zu einem der Hauptmythen des franquistischen Narrativs zum Spanischen Bürgerkrieg. An seiner Seite wehen dreieckige Standarten mit verschiedenen Symbolen, darunter das der Falange Española. Eine verschleierte Frau versinnbildlicht das unterdrückte Spanien, und ein Mann tritt in spanischer Tracht mit einem Gabenkorb auf den Plan.

Untere Reihe rechts:

11  Künste, Wissenschaft, Leibesertüchtigung im faschistischen Italien

Das Relieffeld eröffnet eine letzte Reihe von Szenen, die allesamt einem idyllischen Idealbild des Faschismus huldigen und den Frieden und den Wohlstand zeigen wollen, die dem Anbruch des Regimes zu verdanken seien. Drei Figuren in plastischer Haltung verkörpern die Künste (Jüngling mit antiken Theatermasken), die Wissenschaft (Figur mit Schriftrolle) und die Leibesertüchtigung (Athlet und zwei Wassertaucher im Hintergrund).

12  Der vom Faschismus gesicherte Reichtum aus der Landwirtschaft
Drei weibliche Gestalten, beladen mit Trauben, Obst und Kornähren, verkörpern den Reichtum des Landes und die durch den Faschismus angestrebte Unabhängigkeit Italiens bei der Nahrungsversorgung.

13  Familie und Wiederaufbau im Geist des „faschistischen Friedens“
Das Idealbild der Familie im befriedeten Italien zeigt einen Mann, der sein Gewehr an den Nagel gehängt hat, und seine Ehefrau mit dem Kind im Arm, das dem Vater eine Frucht reicht. Daneben erbaut ein Arbeiter das neue Haus.

14  Der Duce als Baumeister bzw. der Künstler und sein Projekt unter dem Zeichen des faschistischen Führers
Den Schlusspunkt des Frieses bildet eine männliche Figur, die Mussolini als Erbauer des neuen Italiens verkörpern könnte, vermutlich aber den Bildhauer selbst darstellt, der den Bauplan in Händen hält. Oben rechts ist die stilisierte Inschrift DVX angebracht, und am unteren Rand die Signatur des Künstlers „Giov. Piffrader d’anni 52“ (Hans Piffrader im Alter von 52 Jahren).

Das Piffrader Relief 3:31

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