DAS MONUMENTAL-RELIEF IN BOZEN:
VON HANS PIFFRADER ZU HANNAH ARENDT

HANNAH ARENDTS PARADOXON

Die Äußerung von Hannah Arendt
Die Anbringung eines Zitats von Hannah Arendt („Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen – Nessuno ha il diritto di obbedire – Degnu n’a l dërt de ulghè“) vor dem Piffrader-Relief will öffentlich sichtbar machen, dass zivilgesellschaftliches Nachdenken über das totalitäre Kunstwerk unübersehbar erfolgt ist. Der Eingriff stellt auf die dauerhafte Historisierung des monumentalen Artefakts ab. Indem seiner hochideologischen Botschaft – verdichtet in der Darstellung Mussolinis zu Pferd und dem faschistischen Motto „glauben, gehorchen, kämpfen“ – kontrastiv neue Inhalte entgegengesetzt werden, entsteht hier zugleich ein reflexiver Lern- und Erinnerungsort.
Hannah Arendt (1906–1975) gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Die deutsche Sozialphilosophin, Historikerin und Politikwissenschaftlern sah sich aufgrund ihrer jüdischen Herkunft 1933, im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme, zur Emigration in die Vereinigten Staaten gezwungen, deren Staatsbürgerschaft sie 1951 erwarb. Im gleichen Jahr erschien in New York auf englisch ihr Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ („The Origins of Totalitarianism“). Es gilt als Klassiker der politischen Theorie und als Standardwerk zur Genese totalitärer, also allumfassender Herrschaftsformen, die sich durch rassistisch-genozidale, antisemitische, imperialistische, freiheitsberaubende und propagandistische Dimensionen auszeichnen und zu einer generellen Entfremdung menschlichen Zusammenlebens führen.
Die Äußerung von Arendt ist einem Radiointerview mit Joachim C. Fest vom 9. November 1964 entnommen und lautet eigentlich: „Kein Mensch hat bei Kant das Recht zu gehorchen“. Im Nachgang ihres Buches „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ verwahrte sich Arendt energisch gegen die missbräuchliche Berufung eines nationalsozialistischen Haupttäters auf den bekannten kategorischen Imperativ des Philosophen Immanuel Kant, auf den sich Adolf Eichmann in nachgerade obszöner Weise berief. Gegen die Fiktion eines Befehlsnotstands und die totalitäre Gleichschaltung betont das Zitat individuelle Gewissensfreiheit und demokratische Verantwortungsethik.

Hannah Arendt
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